30. April 2017

"Wie kommt das Neue in die Welt?"...

...eine Konferenz vom 26. bis 28. Mai u.a. zu Bedingungslosem Grundeinkommen und direkter Demokratie, die auf eine studentische Initiative an der Alanus Hochschule zurückgeht.

"Die "Wo Lang - Konferenz" ist die erste selbst organsierte Konferenz von Studierenden an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft. Gemeinsam wollen wir ein Bewusstsein für die Frage schaffen, wie wir in Zukunft miteinander leben wollen. Was heißt es im Alltag, im Berufsleben, in der Bildung oder in einer Demokratie Formen der Selbstbestimmung anzustreben? Mit einem vielfältigen und bunten Konferenzprogramm wollen wir gemeinsam die Frage nach einer zeitgemäßen Haltung erforschen. Schwerpunktthemen werden die Ideen der direkten Demokratie und des Bedingungslosen Grundeinkommens sein." (Kilian Wiest)

Weitere Informationen finden Sie hier. Unterstützen können Sie das Projekt via Crowdfunding.

28. April 2017

"Einzelfälle im Mahlwerk der Gesetze"...

...Hans Hütt kommentiert die jüngste Sendung von Maybrit Illner, in der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und Jens Spahn (CDU) zur Sozialpolitik Stellung bezogen. Der Titel des Beitrags von Hans Hütt bringt schon auf den Punkt, worum es politisch gehen müsste, nicht darum nämlich, was Sozialpolitik statistisch leistet, sondern was sie dem Individuum für Möglichkeiten bietet, sein Leben zu leben. Die Gesetzgebung hat ein Mahlwerk geschaffen, in dem der Einzelne vom herrschenden Verständnis der "Einzelfallgerechtigkeit" zerrieben wird. Dass weder die Bundesarbeitsministerin noch der Staatssekretär den Blick darauf richten, was die Sozialgesetzgebung konkret für den Einzelnen bedeutet, welche Geringschätzung sie zum Ausdruck bringt, ist nichts Neues. (Siehe auch unseren Kommentar "Jedes Leid hat einen Namen" und "Die Soziologin spricht über das Leben – und verwechselt es mit Statistik").

Jens Spahn gab vor wenigen Wochen ebenfalls bei Maybrit Illner in der Sendung "Zurück in die Zukunft - weniger Agenda, mehr Gerechtigkeit?" deutlich zu erkennen, wo er sozialpolitisch steht:

"...natürlich brauchen wir auch - wir sind doch alle Menschen, ist doch auch so, en bißchen Druck braucht jeder von uns, ich habe früher auch Druck gebraucht, um morgens aufzustehen..." (Ab Minute 55)

Wer von sich auf andere schließt und auf diese Weise ein Rezept für alle entwirft, setzt sich über sie hinweg. Wenn Jens Spahn Druck gebraucht hat, um morgens aufzustehen, dann heißt das noch lange nicht, dass andere ihn ebenfalls benötigen. Und selbst wenn sie ihn benötigten, wäre es doch an ihnen, sich einen Druckmacher zu besorgen, statt ihn allen gleichermaßen zu verordnen. Spahn schloss aus seiner Schulerfahrung und den Mühen, die er hatte auf andere, ohne überhaupt die Frage zu stellen, woher diese Mühen den kamen, ob sie etwas mit der Schule, der Lebensphase oder seiner persönlichen Situation zu tun gehabt haben könnten. Und wären all diese Gründe nicht legitim? In Spahns Augen offenbar nicht, deswegen braucht es Druckmacher (ganz ähnlich argumentierte Anke Hassel, Direktorin im WSI der Hans Böckler Stiftung vor wenigen Monaten).

Mit Andrea Nahles befindet Spahn sich in guter Gesellschaft, denn ihre Haltung gegenüber Leistungsbeziehern unterscheidet sich von seiner unwesentlich, wenn überhaupt. Was lässt das für die Bundestagswahl erwarten? Weiter so, es geht uns doch gut.

Sascha Liebermann

„Ein Grundeinkommen ist schreiend ungerecht“...

...meint Patrick Spät in einen Interview für choices. Sascha Liebermann kommentierte im letzten Jahr ein Interview, in dem er ähnliche Überlegungen vorgebracht hatte, siehe hier.

27. April 2017

26. April 2017

25. April 2017

"SWR2 Wissen - Das Bedingungslose Grundeinkommen" - ein Gespräch mit Prof. Bernhard Neumärker


Ein Gespräch mit Prof. Bernhard Neumärker, Universität Freiburg. Hier geht es zum Manuskript der Sendung.

24. April 2017

"Hartz-IV, ein bürokratisches Monster?"...

...titelt ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung von Thomas Öchsner und sieht den Grund dafür in den "fein ziselierten" Normen (Heinrich Alt), die dem Wunsch entspringen, dem Einzelfall gerecht zu werden, statt stärker mit Pauschalen zu arbeiten. Verändert sich die Einkommenssituation einer Person in einer Bedarfsgemeinschaft, habe dies "individuelle" Auswirkungen auf alle, die in ihr leben und Leistungen erhalten.

Nicht Sozialromantik, sondern Digitalisierung - Matthias Weik über das Bedingungslose Grundeinkommen


Wozu die provokante Abgrenzung von den "Sozialromantikern", die das BGE befürworten, dienen soll, sei Herrn Weik überlassen, vielleicht dem Marketing. Was es nun mit der Digitalisierung auf sich haben wird, ist ja keineswegs ausgemacht. Unumstritten ist lediglich, dass sich die Arbeitswelt verändern wird, aber wie genau, wird sich zeigen. Siehe unsere Kommentare zur Digitalisierungsdebatte hier.

21. April 2017

"Schluss mit dem Zwang zum ständigen Arbeiten"..

...eine Glosse von Hazel Brugger auf jetzt.de.

"...dann muss ich auch verdammt noch mal den Arsch hochkriegen" - Niko Paech zum Bedingungslosen Grundeinkommen, aber anders, als es scheint


In diesem Videozusammenschnitt von den Hamburger Utopie-Wochen 2014 reagiert Niko Paech, Befürworter einer Postwachstumsökonomie, auf das von Ulrich Schachtschneider vertretene "Ökologische Grundeinkommen". An einer Stelle wird Paechs Haltung zum BGE besonders deutlich (ab Minute 5:40). Wenn "ich" Geld erhalten will, "dann muss ich auch verdammt noch mal den Arsch hochkriegen und selber in dieser Maschinerie irgendwie Leistung erbringen". Das sei nötig, weil der Bezieher sonst in einem Schlaraffenland lebe, was naturwissenschaftlich nicht möglich sei. Paech gibt damit zu erkennen, wie er Leistung entstehen sieht, nämlich durch sanktionierbare Verpflichtung. Wer nichts tut, aber sehr wohl könnte, der erhält eben nichts - ausgenommen sind Fälle wie z.B. eine alleinerziehende "Frau mit zwei, drei Kindern oder was". Damit bewegt er sich im Geiste heutiger Sozialpolitik. Dies mag auch der Grund dafür sein, wie er in seinen Ausführungen den Zusammenhang von BGE und Konsum vollkommen überzeichnet, als gehe es beim BGE vor allem darum, Geld zu erhalten, um mehr konsumieren zu können. Sein Leistungsbegriff ist der heutige, der Leistung offenbar nur als Beitrag zu Erstellung von handelbaren Gütern- und Dienstleistungen versteht. Dass aber die Bürger in einer Demokratie, auf die er sich durchaus bezieht, ihre Stellung und Bedeutung gar keiner Leistung verdanken, sondern der Zugehörigkeit zum Gemeinwesen, müsste ihm im Grunde zu denken geben. Denn die Stabilität eines Gemeinwesens hängt entscheidend davon ab, ob die Bürger nicht durch sich dem Recht unterwerfen, es als Randbedingung akzeptieren, sondern die politische Ordnung auch aktiv tragen, dem Gemeinwesen sich verbunden fühlen im Sinne des modernen Staatsbürgerschaftsverständnisses. Michael Opielka hat vor wenigen Jahren eine interessante Rezension zu einem Buch Paechs geschrieben, siehe hier.

Sascha Liebermann

20. April 2017

19. April 2017

Rezension von "Basic Income. A Radical Proposal" von Philippe van Parijs und Yannick Vanderborght

Eine Rezension des Buches hat der Citizen's Income Trust verfasst. Siehe auch den Bericht über eine Reihe von Vorträgen von Philippe van Parijs anlässlich des Erscheinens des Buches.

18. April 2017

Bildung top down, Planung ist alles - das Individuum nichts

So könnte eine Veranstaltung, organisiert von der CDU Wiesloch, am 7. April, zusammengefasst werden, wenn man nur die Diskussion auf dem Podium vor Augen hat. Da ich dort teilnahm, habe ich am eigenen Leib erlebt, wie schwer es noch sein kann, über ein Bedingungsloses Grundeinkommen zu diskutieren (dieser Bericht spiegelt das nur ungenügend wider). Entweder waren diejenigen, die Vorbehalte gegenüber dem BGE hatten, mit der Diskussion nicht vertraut oder wollten sich mit ihr nicht vertraut machen. Das war nicht so leicht zu erkennen. So wurden viele Beschwörungsformeln geäußert wie z. B. dass mit Bildung auf den Wandel der Arbeitswelt reagiert werden müsse, ohne zu fragen, welche Voraussetzungen denn Bildung benötigt, damit sie gelingen kann. Nicht von ungefähr dominierte die Perspektive, es müsse nur gut geplant, vorbereitet und genügend investiert werden, das sei entscheidend. Dass Bildung ein Individuum erfordet, das sich bilden will und alles Gelingen genau davon abhängt, ob es die entsprechenden Freiräume dazu und Unterstützung hat, spielte keine Rolle. Es war wieder das Trichtermodell von Bildung, das hier dominierte und nicht der andere Blick, der die Initiativeseite des Individuums ins Zentrum stellt. Dabei lebt doch sogar der unternehmerische Impuls heute schon davon - so weit weg ist also der Gedanke nicht und dennoch scheint er enorm weit weg zu sein.

Sascha Liebermann

"Balsam für den sozialen Frieden"...

...so titelt der Deutschlandfunk in einem Beitrag von Alois Berger über das Bedingungslose Grundeinkommen. Wieder einmal geht es vor allem um das BGE und Erwerbsarbeit, eine bedauerliche Verengung, aber immerhin ein recht ausführlicher Beitrag. Er macht allerdings auch deutlich, zu welch schiefen Diskussionen es kommen kann, wenn BGE und Erwerbstätigkeit in ein Bedingungsverhältnis gestellt werden, das erstere aus dem Mangel an letzterem hergeleitet wird. Andere Leistungsbeiträge fallen wie gewöhnlich unter den Tisch, so war es auch bei eine Veranstaltung der CDU in Wiesloch, an der ich vor kurzem teilgenommen habe. Trotz ausführlichen Hinweises im Eröffnungsvortrag von Götz W. Werner, dass wir von vielfältigen Leistungsformen leben und nicht nur von standardisierten Gütern und Dienstleistungen, wurden Hinwendung zum Menschen in Erziehung und Pflege in Privathaushalten keines Blickes gewürdigt.

Birger Priddat, Professor an der Universität Witten-Herdecke, wird folgendermaßen zitiert:

"Das bedingungslose Grundeinkommen ist ja so formuliert, dass der Staat in seiner Organisation kleiner wird. Und das wäre ja etwas, was man ja auch will: Entbürokratisierung. Dieser Effekt würde tatsächlich eintreten, übrigens mit hoher Arbeitslosigkeit im öffentlichen Raum. Das muss man erst einmal mitdenken. Aber wenn man das Grundeinkommen will, dann denkt man ja, die Arbeitslosigkeit wird ja durch das Grundeinkommen kompensiert, dadurch, dass die Leute Geld kriegen, aber keine Arbeit mehr. Ob wir das aushalten? Gerade in Deutschland, einem Workaholic-Land? Wir sind ja sozial auf Arbeit trainiert. Der Sinn des Lebens besteht ja wesentlich für breite Schichten darin, zu arbeiten."

Würde Priddat denn die vermutete "Arbeitslosigkeit", die er hier anspricht, etwa deswegen vermeiden wollen, damit "wir" das nicht aushalten müssen? Wäre das nicht so etwas wie Beschäftigungstherapie im großen Stil ohne sachlichen Grund, nur der Sozialtherapie wegen? Ein sonderbarer Vorbehalt, denn dieser müsste ja schon heute für größere Entlassungsvorgänge ebenso gelten. Außerdem ist es eine gewagte Annahme zu meinen, mit den Freiräumen, die ein BGE schüfe, könnten "wir" nicht umgehen, worauf der Einwand ja hinausläuft. Ob das der Fall wäre, sollte doch den Bürger überlassen werden. Wenn sie den Eindruck hätten, damit nicht umgehen zu können, würden sie eben für Beschäftigungstherapie plädieren. Nun, dann wäre das eben so, aber auf Basis eines BGE könnten diejenigen, die eine solche nicht wollen, etwas Sinnvolles anstellen.

Und wenn der Sinn "für breite Schichten" darin bestünde, zu arbeiten, dann würde entweder ein BGE gar nicht erst eingeführt oder es würde darüber nachgedacht, ob unser Arbeitsbegriff unseren Lebensrealitäten entspricht.

Auch Anke Hassel, Direktorin des WSI der Hans-Böckler-Stiftung, wird zitiert:

"Das ist das süße Gift, also die Wahl, vor die sie gestellt werden: Die unmittelbare Gratifikation jetzt über ein bedingungsloses Grundeinkommen, oder eine langfristige Investition in Bildung. Und da befürchte ich einfach, dass es einen erheblichen Teil von jungen Menschen gibt, die dann sagen, na ja, der eine Weg ist doch einfacher als der andere."

Da ich diese Haltung ausführlich kommentiert habe an anderer Stelle, verweise ich der Abkürzung halber darauf, siehe hier.

Ein Sozialarbeiter wird mit der Äußerung zitiert, dass Arbeit, also wohl Erwerbsarbeit, für die Integration von Migranten "in die Gesellschaft" unerlässlich sei. Deswegen, so kann der Leser schließen, sei ein BGE nicht der richtige Weg. Ist denn die Einschätzung zutreffend bezüglich der integrativen Bedeutung von Erwerbsarbeit? Erwerbsarbeit zeichnet sich ja gerade dadurch aus, Personen nur daran zu beurteilen, ob die mit einer Stelle verbundenen Aufgaben bewältigen können oder nicht. Sie werden also nicht als Menschen um ihrer selbst willen angestellt, sondern als Leistungserbringer. Erbringen sie diese Leistung nicht, dienen sie dem Zweck eines Unternehmens nicht und werden entlassen. Das ist für diesen Zusammenhang notwendig und gerade das Moderne am heutigen Erwerbsleben. Wie kann auf diese Weise eine Person integriert werden, wenn sie nicht um ihrer selbst willen zählt? Die Illusion, dass diese der Fall sei, ist so lange aufrechtzuerhalten, solange Erwerbslosigkeit die Ausnahme oder ein Randphänomen bleibt. Der tatsächliche Zusammenhang wird aber bloß verschleiert. Tatsächliche Integration einer Person als ganzer, um ihrer selbst und um eines Gemeinwesens willen, kann nur durch Aufnahme in ein Gemeinwesen erreicht werden, also durch Einbürgerung oder zumindest eine Würdigung, die die Person nicht am Leistungsbeitrag misst. Genau das kann ein BGE leisten, dazu muss aber die hier eingeführte Differenzierung vorgenommen werden, um das Problem abzustecken, vor dem wir stehen. Die Verklärung von Erwerbstätigkeit hilft da nicht weiter.

Kurz darauf wird derselbe Sozialarbeiter hiermit zitiert:

"Für viele ist es jetzt auch schon, gerade mit der Grundversorgung über Hartz IV oder Kindergeld, ja, ist die Motivation sehr gering zu arbeiten. Ich glaube, wenn da noch ein Grundeinkommen dazukommt, ich glaube, dann würde das eher hinderlich sein als förderlich."

Naja, das ist nun ein typisches Vorurteil. Ein BGE hebt ja gerade den stigmatisierenden Charakter heutiger Leistungen auf, das ist die eine Seite, die andere ist, dass die Motivation, etwas beizutragen nach hier schon öfter zitierten Untersuchungen mit den Lohnersatz- oder Transferleistungen in keinem direkten Zusammenhang steht. Der Sozialarbeiter "glaubt" nur, dass es so sei. Andere Erklärungen für das von ihm beobachtete Phänomen werden gar nicht erwogen.

Dass die Digitalisierung doch nicht so schlimme Folgen haben werde, wie manche meinen, bekunden Experten in diesem Beitrag ebenso, wie andere Experten diese Folgen auf uns zukommen sehen. Kann sein, kann nicht sein, nur aber weil die einen übertreiben mögen, ist das kein Grund, dass die anderen verharmlosen.

Sascha Liebermann

17. April 2017

Das hat es doch immer gegeben in der Vergangenheit,...

...das hat es so noch nie gegeben. Zwischen diesen beiden Polen schwanken die Stellungnahmen zur Digitialisierung häufig. Weder Hysterie noch Verharmlosung helfen allerdings weiter. In einem Interview mit der Wirtschaftswoche erläutert Carl Frey seine Sicht auf die Digitalisierung. Frey hatte gemeinsam mit seinem Kollegen Osborne vor einigen Jahren eine Studie veröffentlicht, die nach wie vor viel zitiert wird, allerdings nicht selten verkürzt. Auch wird oft übersehen, dass es sich nicht wirklich um eine empirische Studie handelt. Auf den spekulativen Charakter wurde deswegen oft hingewiesen. Ein Grund zur Verharmlosung ist das allerdings auch nicht. Siehe frühere Beiträge dazu von uns hier.

13. April 2017

Bündnis Grundeinkommen sammelt Unterschriften,...

...keine likes, keine klicks, richtige Unterschriften, schreibt Susanne Wiest in Ihrem Blog. Das dazu nötige Formular finden Sie hier. Was Sie beachten müssen und wo das ausgefüllte Formular hingeschickt werden muss, finden Sie hier.

"Auswirkungen von Sanktionen im SGB II. Überblick über qualitative Studien in Deutschland"...

12. April 2017

"Jüngere können vielleicht schneller arbeiten, aber Ältere kennen die Abkürzung"...

...die andere Seite des ach so guten Arbeitsmarktes schreibt Spiegel Online:

"Auf 60 Prozent seiner Anschreiben habe er noch nicht mal eine Absage bekommen, erzählt er. Nur ein einziges Mal sei er zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Und was aus der Stelle wurde, weiß er nicht. Auf Nachfragen reagierte niemand. "So kann man nicht mit Leuten umgehen", sagt er."

Ist das ein Zeichen für Fachkräftemangel?

Und weiter heißt es im Artikel:

"Nur eines, das könne er sich gar nicht vorstellen: Hartz IV zu beantragen. "Das mach ich nicht. Da hab' ich eine Schranke", sagt Rohrmann."

Dieser Erniedrigung will er sich nicht aussetzen, die viele für so gerechtfertigt halten. Hieran wird deutlich, was ein Bedingungsloses Grundeinkommen leisten könnte.

Sascha Liebermann

Sahra Wagenknecht und das Bedingungslose Grundeinkommen...


...unter anderem darüber hat Tilo Jung - "jung und naiv" - mit ihr gesprochen. Ab Minute 23:52 geht es um das Bedingungslose Grundeinkommen. Wer Sahra Wagenknechts Ansichten dazu kennt, wird keine Überraschungen erleben. Siehe unseren Kommentar an anderer Stelle hier.

11. April 2017

"Investiert in die Gesellschaft!" - doch weshalb aus dem bedingungslosen ein bedingtes Grundeinkommen machen?

Darüber schreibt Doris Aebi in der Neuen Zürcher Zeitung und weist auf die etwaigen Herausforderungen durch Digitalisierung, ihre Folgen für soziale Ungleichheit, die Aufgabe des Gemeinwesens, die Freiheitsrechte in der Schweiz, die direkte Demokratie - und das Grundeinkommen hin. Allerdings geht es nicht um das Bedingungslose Grundeinkommen, sondern eines, das an soziale Pflichten gekoppelt wird. Ein solches hatte vor vielen Jahren schon der vor wenigen Monaten verstorbene Anthony Atkinson vorgeschlagen. Siehe dazu den Kommentar von Sascha Liebermann.

Ziehungsrechte - die schlechte Alternative zum Bedingungslosen Grundeinkommen

Die Diskussion über Ziehungsrechte wird schon länger geführt, in jüngerer Zeit durch den Vorschlag eines Lebenschancenkredits von Steffen Mau - schon der Begriff ist bezeichnend - ist sie wiederbelebt worden. Im Unterschied zu einem Bedingungslosen Grundeinkommen sind diese Modelle aber zweckgebunden, eröffnen zwar mehr Freiräume als heute, bleiben jedoch in der Logik einer aktivierenden Sozialpolitik stecken. Die Überlegungen von Mau gehen auf Ausführungen von Alain Supiot zurück. Zu dessen Modell hatte sich vor einigen Jahre Ulrich Mückenberger in seinem Beitrag "Ziehungsrechte – Ein zeitpolitischer Weg zur „Freiheit in der Arbeit“?" geäußert. Mückenberger macht darin deutlich, dass diese Ziehungsrechte jedoch von beschränkter Wirkung seien und machte sich deswegen für ein Grundeinkommen stark, das ergänzend hinzutreten müsste, um Nicht-Erwerbstätige von den Ziehungsrechten nicht auszuschließen.

In eine ähnliche Richtung wie Ziehungsrechte weisen Vorschläge zu Lebenszeitkonten (siehe z. B. hier, hier, hier und hier). Siehe auch "Ganz nah dran und doch anders – Anthony Atkinsons 'participation income'".

Sascha Liebermann

10. April 2017

"Grundeinkommen: Geld einfach so" - im SWR...

...in der Sendung odysso vom 6. April.

9. April 2017

Politische Nation, kulturelle Vielfalt und Bedingungsloses Grundeinkommen

Die Zuwanderung von Flüchtlingen, die in Kriegs- oder Hungergebieten an Leib und Leben bedroht sind und von denen niemand wissen kann, ob sie bleiben werden oder nicht – auch sie selbst wissen das zu ihrem eigenen Leidwesen nicht;
die Zuwanderung von Asylbewerbern, die in ihren Heimatländern aufgrund ihrer von der Mehrheitskultur abweichenden Lebensweise – sei dies eine religiöse Abweichung wie bei den Christen im Iran oder den Schiiten in Saudi Arabien, sei es eine sexuelle Abweichung wie bei Homosexuellen in Ägypten, seien es sonstige kulturelle Abweichungen wie bei den Uiguren in China – an Leib und Leben bedroht sind und bei uns um Schutz und Aufnahme ersuchen;
die Zuwanderung von jungen Menschen aus Europa und der ganzen Welt, die sich bei uns ein besseres Leben erhoffen und deshalb gern hier bleiben wollen
– diese ganze Entwicklung wirft die Frage nach der Identität Deutschlands, nach der Identität eines jeden Deutschen auf. Vielen macht das Andrängen dieser Frage Angst. Wenn dann noch die zukunftseröffnende Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens ins Spiel gebracht wird, ist schnell das Ende jeder offenen Debatte erreicht. Deshalb ist es sinnvoll, sich Klarheit zu verschaffen über den Zusammenhang von Identität, politischer Nation und kulturellem Selbstverständnis.
Charles Taylor, ein Philosoph aus dem Einwanderungsland Kanada, hat seit vielen Jahren immer wieder einen interessanten liberalen Blick auf diese Problematik geworfen. Jüngst findet sich ein aufschlussreicher Aufsatz in der Zeitschrift Mittelweg 36, in dem Taylor erneut und mit Bezug auf die gegenwärtige Situation in Europa und insbesondere in Deutschland sein Konzept des Mulitkulturalismus erläutert.
Wichtig ist daran, und das wird in Taylors Darlegung vielleicht nicht ganz deutlich, dass wir lernen müssen, einen klaren Unterschied zu machen, der bisher oft nicht gesehen wird: den zwischen politscher Nation und Identität einerseits und Kultur je besonderer Gruppen und Gemeinschaften andererseits. Dies bedeutet, dass wir im Hinblick auf jeden Einzelnen unterscheiden müssen zwischen seiner Identität als Bürger und damit Angehörigen der politischen Nation Deutschlands einerseits und seiner Identität als Angehörigen einer bestimmten kulturellen Gruppe oder Gemeinschaft – sei diese religiös, sprachlich, sexuell, ethnisch oder sonstwie bestimmt. Bürgersein erschöpft sich in diesem Verständnis nicht darin, sich formal an das geltende Recht und die Gesetze zu halten und dem Land ansonsten innerlich den Rücken zu kehren. Das Schwierige ist nämlich, dass, wie Taylor zu Recht formuliert, 'demokratische Staaten auf eine gemeinsame Identität angewiesen sind‘ (S. 16). Damit erweist er sich als skeptisch gegenüber dem von Dolf Sternberg ins Spiel gebrachten und von Jürgen Habermas propagierte Verfassungspatriotismus.
Thomas Mann formulierte in seiner Roman-Tetralogie "Joseph und seine Brüder": "Das Gesetz bindet auf äußerlich lehrhafte Weise; innere Bindung bewirkt nur der Zauber." Damit spricht er das gleiche Problem an. Denn als Bürger sind wird zwar vor allem durch unsere rechtlich geregelten Rechte und Pflichten bestimmt, aber eben auch durch eine praktische Bindung an unsere politische Gemeinschaft. Im Ausland sind wir eben als Ausländer nicht für die Politik unseres Urlaubslandes verantwortlich, wohl aber müssen wir zu Recht gewärtig sein, uns für das Handeln unseres eigenen Landes rechtfertigen zu müssen – und das ist nicht lediglich zufälliger- und überkommenerweise so, sondern für das Bestehen unserer politischen Gemeinschaft konstitutiv. Taylor: "Eine Demokratie lebt also davon, dass die Bürgerinnen und Bürger ihren eigenen Staat für etwas Besonderes halten, ihm auch affektiv in besonderer Weise verbunden sind." (S. 16 f.)
Lange Zeit war die Identität des Deutschen als politischen Bürgers im Sinne dieses Besonderen negativ bestimmt: Wir Deutschen sind politisch verantwortlich für die Verbrechen des Nationalsozialismus. Diese negative Bestimmung bei allen Verwerfungen positiv gewendet zu haben durch Verantwortungsübernahme ist ein Erfolg unserer Nation und diese Verantwortung wird unabdingbar stets Moment unserer nationalen Identität sein. Zugleich trifft zu, dass eine politische Gemeinschaft sich dauerhaft nur durch die "Ausrichtung auf eine offene Zukunft" (Taylor, S. 21) bestimmen kann, dass sie also die Frage: 'Wer wollen wir sein?', zukunftsorientiert beantworten muss. Nur in der Beantwortung dieser Frage kann die praktische Bestimmung der Identität gelingen, für die heute unabweisbar ist, dass sie "sowohl auf die Anerkennung kultureller Differenz als auch auf Integration zielen" muss (S. 21). Das bedeutet, dass wir einerseits gerade angesichts der zunehmenden kulturellen Vielfalt in unserem Land einen Zustand herbeiführen müssen, den Theodor W. Adorno 1951 in den Minima Moralia beschrieb "als den, in dem man ohne Angst verschieden sein kann." Und in Anlehnung an Adorno kann man sagen, attestierte man dem Zuwanderer mit islamischer Religion und arabischer Kultur, er sei genau wie der hiesige katholische Bayer oder protestantische Niedersachse oder agnostische Hesse, während er es doch nicht ist, so tut man ihm Unrecht an und verhindert was man anstrebt: seine Integration. Andererseits aber, auch wenn es gerade nicht darum geht, die Kultur besonderer Gruppen in der politischen Identität als Deutsche aufgehen zu lassen, so muss doch ein Ziel geteilt werden: dem Ohne-Angst-verschieden-sein-Können dauerhaft einen es ermöglichenden Rahmen zu geben. Dieser Rahmen kann aber nur Bestand haben, wenn man sich – in aller sonstigen Verschiedenheit – mit ihm identifiziert: als Staatsbürger. "Von daher heißt das Ziel für Einwanderungsgesellschaften in politischer Hinsicht notwendigerweise Staatsbürgerschaft", so Taylor (S. 20) zu Recht. (Welche Probleme es bereitet, wenn man dieses Ziel etwa durch die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft zu umgehen versucht, zeigt der Fall Deniz Yücel, für den die Bundesrepublik ganz anders einstehen könnte, wenn er eben nicht zugleich türkischer Staatsbürger wäre.)
Was könnte nun das Positivum sein, mit dem ein deutscher Staatsbürger als Deutscher sich identifiziert – gleich ob er Urbayer, sorbischer Sachse, gebürtiger Rheingauer, türkischstämmiger Duisburger, in Maschhad geborener Hesse, muslimischer Sauerländer oder dänischsprechender Schleswig-Holsteiner ist? Was kann die Idee sein, die in der praktischen Gestaltung der Zukunft sich realisiert und zugleich das Eigene und Besondere unserer politischen Gemeinschaft ausmacht? Was kann dasjenige sein, von dem der Zauber ausgeht, der die innere Bindung an unsere politische Gemeinschaft bewirkt? Könnte es vielleicht dasjenige sein, das momentan, wenn es in Verbindung mit Zuwanderung thematisiert wird, das Ende jeder offenen Debatte bedeutet: die Zukunft eröffende und Zukunft gestaltbar machende Idee des Bedinungslosen Grundeinkommens?
Die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens teilt mit der Staatsbürgerschaft das Moment des praktisch-solidarischen Einstehens füreinander bei gleichzeitiger Anerkennung der Verschiedenheit und Würdigung der Besonderheit eines Jeden – ohne Gleichgültigkeit und zugleich ohne Bevormundung.
Ach, Europa… Ja, gerade scheint der Pulse of Europe wieder kräftiger zu schlagen – und das ist gut so. Aber eine europäische Staatsbürgerschaft gibt es noch nicht einmal formal, "auf äußerlich lehrhafte Weise", geschweige denn, dass ihr ein Zauber innewohnte. – Also fangen wir mit dem Großen besser klein an: ein Bedingungsloses Grundeinkommen in Deutschland würde nicht nur dem universalisierten Staatsbürgerstatus seine materiale Basis geben, sondern auch der politischen Identität einen Kristallisationskern, der mit der Würdigung kultureller Vielfalt für eine reichhaltige Zukunftsgestaltung einen eröffnenden Rahmen aufspannte.
Thomas Loer

6. April 2017

Die Zukunftsangst einiger Alter Herren

Vor einigen Tagen hatte ich die Gelegenheit, vor corpsstudentischen Alten Herren über das Bedingungslose Grundeinkommen zu sprechen. Dabei machte ich Erfahrungen, die einiger Reflexion wert sind; es sei gleich betont, dass mir Teilnehmer der Veranstaltung in Gesprächen bei dieser Reflexion halfen… Es wurde dort deutlich, dass das Lebensalter mit der Einstellung zum Bedingungslosen Grundeinkommen korrelierte: Je älter die Herren waren, desto größer war die Abneigung, sich der Idee zu öffnen. Warum? Offensichtlich lag eine Haltung vor, die in gesteigerter Form in folgender Frage zum Ausdruck kam, die mir einmal bei anderer Gelegenheit entgegengehalten wurde: "Warum sollen meine Kinder es in ihrem Leben besser haben, als ich es in meinem hatte, und von den Entbehrungen, die ich erleiden musste, verschont bleiben?"
Diese Haltung erschien mir lange Zeit als zynisch und verbittert. Seit der Veranstaltung mit den Alten Herren aber ist mir deutlich geworden, dass sich da eine Angst bemerkbar macht: die Angst, dass die eigene Lebensleistung entwertet würde. Berechtigt die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens zu dieser Angst? Erklärbar ist sie doch nur, wenn die Lebensleistung an der Entbehrung, der sie abgerungen wurde, gemessen wird. Hinter der Verlustangst steckt eine Haltung, die Anerkennung einzig an mit Entbehrung verbundene Leistung koppelt. In der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens steckt nun eine bedingungslose Anerkennung; wenn man eine solche bedingungslose Anerkennung allerdings in seinem entbehrungsreichen Leben selbst nicht erfahren hat, wird man auf eine viel tiefergehende Entbehrung aufmerksam, die man durch Schaffen zu kompensieren suchte. Die Zukunftsangst angesichts der Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens richtet sich also auf die Vergangenheit – so wie in der Zukunftsangst vieler, v.a. älterer DDR-Bürger nach der Wende die Angst vor der Entwertung des bisherigen Lebens zum Ausdruck kam.
Wie könnte dieser Angst begegnet werden? Wenn es gelänge, Anerkennung an das sachhaltige Ergebnis der Lebensleistung zu koppeln statt an die Entbehrungen, denen sie abgerungen wurde – dann nämlich könnte man die Möglichkeit der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens als auf eigener Leistung aufruhend würdigen, könnte ohne Angst um die Entwertung des eigenen Lebens ein besseres für die nachfolgenden Generationen begrüßen.
In einem als Einwand gegen das Bedingungslose Grundeinkommen gemeinten Einwurf eines erfolgreichen Unternehmers kam die gleiche Haltung zum Ausdruck: Er habe seinem Sohn, der ihn fragte, was Kommunismus sei, geantwortet: "Wenn du in einer Klassenarbeit eine 1 bekommst und dein Banknachbar eine 6, dann wird der Durchschnitt ermittelt und ihr bekommt beide eine 3,5." Worauf der Sohn gesagt habe: "Toll, dann brauche ich mich ja nicht mehr anzustrengen." An dem armseligen Verständnis von schulischer Bildung, das hier zum Ausdruck kommt, ist die Schule gewiss nicht unschuldig (s. etwa zur Schulpflicht), gleichwohl hängt es auch mit dem oben angesprochenen Verständnis von Leistung zusammen: Leistung vollbringt danach nur derjenige, der sich quält – und er vollbringt sie nur, wenn er einen entsprechenden Anreiz in Form von guten Noten oder von Einkommen hat. Dass ein Jugendlicher sich aus Neugier einer Sache widmet, dass er etwas lernen will, weil es ihn interessiert, wird ihm nicht nur von der Schule ausgetrieben, sondern hier vom Vater auch gar nicht zugetraut. Warum? Darin kommt ein Menschenbild zum Ausdruck, das seine wissenschaftliche Entsprechung im Begriff des Homo Oeconomicus hat (s. dazu folgenden Vortrag). Wenn aber nun das eigene Leben als von Anreizen gesteuert gedeutet wird, dann ist ein anderes Menschenbild, das von einem selbsttätig Sinn schaffenden und freimütig gestaltenden Menschen ausgeht, wiederum eine Bedrohung: Das eigene Leben droht auf ein sinnloses Rennen im Hamsterrad reduziert zu werden.
Wieder aber ist es ein Wechsel der Perspektive, ein Wechsel, der den Blick weg von den Entbehrungen auf das sachhaltige Ergebnis der Lebensleistung lenkt, der hier helfen kann. Was ich geschaffen habe, darauf können meine Kinder und folgende Generationen aufbauen, sie können es als Startkapital begreifen – und stolz sein darauf, dass ausgehend von der eigenen Lebensleistung die nachfolgenden Generationen in ihre Zukunft aufbrechen können.
Begreift man das Bedingungslose Grundeinkommen diesem Sinne als Universalisierung eines Startkapitals (als "capital de départ" bezeichnete mir gegenüber einmal Frère Maxime in Taizé das Bedingungslose Grundeinkommen), dann stellt es eine Würdigung der Lebensleistung – nicht nur Alter Herren, sondern aller vorhergehenden Generationen – dar, die man sich umfassender kaum vorstellen kann.
Thomas Loer

Bündnis Grundeinkommen auf dem Stimmzettel für NRW Landtagswahl 2017...

...das meldete der WDR. Siehe auch die Pressemitteilung des Bündnis Grundeinkommen.

Der Landesverband Niedersachsen von Bündnis Grundeinkommen hat schon 2056 Unterstützerunterschriften für die Bundestagswahl gesammelt. Bestätigt sind bislang 1079.

"Die Demokratie ist in Gefahr" - ZDF Die Anstalt

Es gibt wenige Sendungen, die es verstehen, politischen Entscheidungen, ihre Zusammenhänge und Folgen so gut deutlich zu machen wie "Die Anstalt" unter der Leitung von Max Uthoff und Claus von Wagner. Hier geht es zur Sendung vom 4. April

5. April 2017

Bündnis Grundeinkommen - Stand der Unterstützerunterschriften


Weitere Informationen und Vorlagen finden Sie hier. Siehe auch die Beiträge von Susanne Wiest und Baukje Dobberstein.

4. April 2017

"Wir sollten wieder Tagträume im Büro haben" - Über missverstandene Selbstverwirklichung und Muße...

...darüber sprach das Schweizer Fernsehen SRF mit dem Arbeitspsychologen Theo Wehner.

Besonders interessant sind zwei Passagen. Die erste beschäftigt sich mit dem Streben nach Selbstverwirklichung, das heute eine so bedeutende Rolle spiele:

SRF: "Warum überbeanspruchen wir uns so sehr? Die Konsequenz ist ja, dass wir vielleicht irgendwann krank werden."
TW: "Heute haben wir als Ziel, uns in der Arbeit selbst zu verwirklichen. Wenn das jeder macht, frage ich mich wirklich ganz ernsthaft, wie wir dann noch zusammenarbeiten können. Wenn sich jede Medizinerin, jeder Mediziner im OP selbst verwirklichen will, dann möchte ich nicht Patient sein.
Wir haben eine enorme Ich-Orientierung in der Gesellschaft. Gleichzeitig haben wir an den Arbeitsplätzen zunehmend die Notwendigkeit zur Wir-Orientierung. Und das Versprechen zur Selbstverwirklichung kollidiert mit diesen zwei unterschiedlichen Anforderungen.
Von daher sprechen manche sogar von einer interessierten Selbstschädigung. Das ist ein holpriger Begriff, heisst aber: Die Selbstschädigung wird nicht mehr als etwas Gefährliches angesehen, sondern die Überstunden, die ich mache, die Wochenendarbeit, die ich leiste, die doch noch zwei Stunden abends dranhängen, das entspricht meinem Interesse. Dafür nehme ich die Selbstgefährdung in Kauf."

Selbstverwirklichung im eigenen Tun, in der Arbeit ist heute hoch im Kurs und wird nicht selten so verstanden, als könne sie gelingen, ohne sich auf eine Sache, eine Aufgabe, ein Gegenüber einzulassen. Dieses Verständnis von Selbstverwirklichung ist aber eines, das in sich selbst kreist und sich die Welt zu Diensten macht, statt der Welt zu dienen und dadurch Erfahrung zu machen. Wer Erfahrung machen will, muss sich einlassen, er muss zuerst einmal von sich absehen, um sich der Sache bzw. dem Gegenüber zuwenden zu können. Diesen Zusammenhang scheint mir Theo Wehner hier vor Augen zu haben.

Die starke Orientierung am Ich zeigt sich darin, dass Zusammenhänge vergessen werden, die gerade Abhängigkeiten von anderen bezeugen, auf die wir angewiesen sind. Das zeigt sich im schwachen Bewußtsein davon, wie sehr unser Zusammenleben von den schlicht hingenommen Leistungen in Haushalten, den sogenannten Care-Tätigkeiten leben. Ihr Wert wird schnell der angeblich so viel bedeutenderen Wertschöpfung in der Wirtschaft nachgeordnet, obwohl letztere ohne erstere gar nicht existieren würde. In anderen Zusammenhängen zeigt sich das ebenso.

Ich möchte dies an einem Beispiel deutlich machen, dass in Hochschulen und Lebensläufen von Akademikern immer häufiger zu finden ist. In Lebensläufen kann man dann lesen oder es wird einem erzählt, dass jemand "sich" promoviert habe. Er hat sich also den akademischen Grad selbst verliehen. Dazu bedürfte es strenggenommen dann weder einer Dissertation (Qualifikationsschrift) noch einer Disputation (mündliche Verteidigung der Dissertation). Es bedürfte keiner Universität und keines Fachbereichs, der die Dissertation prüfte, wenn doch die Kandidaten "sich" selbst promovierten. Dass selbst unter denjenigen diese Redeweise zur Selbstverständlichkeit geworden ist, die diese institutionalisierten Verfahren durchlaufen haben, ist erstaunlich genug. Das Phänomen bezeugt vor allem, was Theo Wehner oben darlegt, wie sehr das Ich mit seinen Leistungen offenbar im Zentrum der Selbstwahrnehmung steht, auch wenn das der Realität gar nicht entspricht.

An einer weiteren Stelle im Interview heißt es:

SRF: "Sollten wir, wenn wir schon eigenverantwortlicher arbeiten, auch eigenverantwortlicher dafür sorgen, dass die Arbeit uns gut tut?"
TW: "Genau. Die Verantwortung hört nicht da auf, wo ich mein Produkt abgeliefert habe. Die Verantwortung habe ich auch mir gegenüber, das heisst, dass ich diese Arbeit auch noch morgen und übermorgen erbringen könnte. Ich bin unter Umständen selbst der Experte dafür, wie meine Arbeitsbedingungen aussehen sollten. Es gab Zeiten in der Arbeitswelt, in denem man Tagträumen nachgehen konnte. Es gab Zeiten, da hat man Arbeitslieder nicht nur gesungen, sondern man hat sie am Arbeitsplatz komponiert. All das ist subjektiv wichtig. Die Frage ist, ob wir dem auch gerade in modernen Arbeitsplätzen wieder nachgehen könnten."

Diese Passage verstehe ich so, dass es um Mußemomente am Arbeitsplatz geht, was um so bedeutender werden könnten, je stärker zukünftig Problemlösungsfähigkeiten von Mitarbeitern gefordert sein werden, da Routinetätigkeiten auf Automaten übertragen werden können. Aber auch wo das nicht der Fall sein wird, stellt sich die Frage, wie es zu diesen Mußeräumen kommen könnte, ohne sich auf andere verlassen zu müssen, die sie einem einräumen. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen könnte einen erheblichen Beitrag dazu leisten, in mancher Hinsicht "Experte" seiner selbst in Sachen Arbeitsbedingungen zu werden.

Sascha Liebermann

"Die Vielfalt der Moglichkeiten ist bestechend - Chancen durch ein bedingungsloses Grundeinkommen"...

...der Beitrag mit diesem Titel von Sascha Liebermann erschien 2009 im Sammelband "Arbeit und Freiheit im Widerspruch. Das bedingungslose Grundeinkommen - ein Modell im Meinungsstreit". Hier ist er online verfügbar.

3. April 2017

"Grundeinkommen für jeden" - NDR info Redezeit

"NDR info - Redezeit" hat ein Feature zum Bedingungslosen Grundeinkommen produziert. Im Gespräch sind Thomas Straubhaar und Christoph Butterwegge.